Montag, 17 Oktober 2011 [Woche 1]
by XShipper

Du warst ein Geschenk und ich werde dich behalten. Schon lange hatte ich kein Tagebuch mehr, aber ich denke, nun ist es durchaus wieder an der Zeit, all die wundersamen, schönen und gehaltvollen Momente festzuhalten, die auf meinen lieben Mann Robert, unserer wundervollen Valentina und mir zukommen werden. Bestimmt werde ich dir auch ein paar meiner kleinen Geheimnisse flüstern – denn dafür bist da. Vor allem aber wirst du der stille Zeuge meines neuen Lebens werden, und ich hoffe wirklich auf viele abenteuerliche Geschichten auf deinen noch leeren Seiten… bis du eines Tages voll bist, dass du nur so vor Erinnerungen, Erzählungen und dem Gefühl, dass durch dich nichts mehr in Vergessenheit gerät, aus allen Nähten platzt.

In den letzten Tagen ging es drunter und drüber, erst einmal hatten wir uns bei Gianni eingerichtet. Zurzeit übernachten wir noch in dem Zimmer bei Gianni, wo damals alles anfing und weswegen wir ab jetzt in Verona leben – es ist unglaublich. All die schönen Erinnerungen kamen in dem Moment hoch, als wir es betraten. Ich freute mich so. Vor Aufregung hatte ich gar nicht aufgehört zu plappern, küsste nur flüchtig Robert auf die Wange. Er jedoch griff nach mir, umarmte mich und küsste mich zurück – aber nicht auf die Wange… er doch nicht. Zum Glück sind die Italiener so Bambini-verrückt wegen Valentina, sodass unsere kurzweilige Abwesenheit niemandem aufgefallen war.

Die wunderschönen Nächte in diesem Zimmer neigen sich nun dem Ende zu. Robert, Gianni und einige Freunde von ihnen richten fleißig unsere neue Wohnung über unserem Restaurant an der Piazza ein, das seit Kurzem uns gehört. Die Neu-Eröffnung steht auch vor der Tür – Robert ist begeistert von meiner Tisch-Deko und meinen neu gestalteten Karten. Mein Sternekoch hat noch etwas an den Gerichten rumwerkelt und einige alte Lieferverträge übernommen. Es gab bis vor kurzem noch einen hervorragenden Bio-Bauer in der Nachbarschaft, Gianni hatte auch von ihm Obst und Gemüse bezogen. Vom Bäcker bei uns gegenüber haben wir dann erfahren, dass der komplette Hof zum Verkauf stünde. Neulich hatten wir einen Familienausflug gemacht, denn Valentinchen liebt das frische Gras und versucht sich bereits an ihren ersten Gehversuchen – da kamen wir diesem jenen Bauernhof vorbei. Er passte!!! Ehe ich den Gedanken aussprechen konnte, kam Robert auf die gleiche Idee! Ich wusste in dem Moment, ich musste unbedingt meinem Bruder davon erzählen.

So, wie beende ich jetzt meinen ersten Eintrag? Mit Eva Krendlinger geht ja nun nicht mehr und ich glaube, Eva Saalfeld wäre aber auch zu förmlich, auch wenn ich meinen neuen Namen liebe. Bleiben wir doch bei…

Deine
Samstag, 22 Oktober 2011 [Woche 2]
by XShipper

Irgendwie seltsam - da nimmt man Abschied von geliebten Menschen und glaubt, dass man sie eine Weile nicht mehr sehen wird, und plötzlich überschlagen sich die Ereignisse. Dass Jakob das Angebot, den Bauernhof zu übernehmen, annahm, fand ich unglaublich und ich hab mich so für ihn gefreut. Mehr noch aber dann, als ich Jakob am Flughafen wieder in die Arme schließen konnte und ihn nun wieder bei mir habe. Ich gestehe, ich häng an ihn. Er ist mein Bruder!

Und wen hat mein Bruderherz da mitgebracht? Die beiden sind wirklich süß zusammen. Wenn sie mal nicht seine Traumfrau wird, die gute Debby. Verona ist immer für eine Überraschung gut. Wäre die Neuöffnung von Roberts Restaurant nicht gewesen, hätten wir in unserer neuen Wohnung vermutlich noch bis tief in die Nacht gefeiert. Aber es war schon gut so, denn am nächsten Morgen herrschte das organisierte Chaos. Zum Glück hatte sich Debby gleich angeboten für ein paar Stunden nach der Uni auszuhelfen. So schnell hätten wir kein Aushilfspersonal mehr bekommen. Ich konnte schlecht einspringen... da sprechen selbst die Chinesen besser italienisch als ich. Robert amüsiert es. Wenigstens einer, der sich vor Lachen nicht mehr halten kann, wenn man mich anspricht und ich nichts verstehe.

Zum Mittagsgeschäft öffnete das „12 Apostoli” endlich wieder seine Pforten. Viele waren gespannt, wie der neue Koch wohl ist und was er drauf hat. Ich glaube, Roberts Eröffnungsrede kam wirklich gut bei den Gästen an - von einem Deutschen hatten sie solch einen Wortwitz auf italienisch nicht erwartet -, jedenfalls lachten sie viel. Nach der feierlichen Eröffnung und einem Glas Sekt habe ich meinem Mann dann allein walten lassen und kümmerte mich um Valentina... ganz wichtig: Kinderzimmer weiter dekorieren! Die Zeit habe ich auch genutzt, um kurz mit Tanja zu telefonieren und von ihr den neuesten Tratsch vom Fürstenhof zu erfahren. Jakob fuhr nach dem Hauptgang raus zu seinem Bauernhof. Am späten Nachmittag hatte Robert eine kurze Pause, da saßen wir dann mit unserer Kleinen draußen vor dem Ristorante und tranken Kaffee. Das Wetter war so wunderbar mild und die Sonne stand schon tief. Da kamen Erinnerungen hoch. Der ganze Tag war erfolgreich verlaufen und schön. Die Nacht noch viel mehr!



Der Tag darauf weniger. Während mein Sternekoch seine Mitarbeiter durch die Küche scheuchte und alles perfekt haben wollte, und mein Bruder schon früh zum Hof fuhr, sind seine Freundin und ich mit Valentina in die Innenstadt - sie wollte noch kurz nach ihren Studienbüchern suchen, bevor sie zur Uni musste. Für mich stand dann DER eine Ort auf dem Plan, den ich meiner Süßen endlich zeigen wollte. Ein bisschen Inspiration für mein neues Kinderbuch hatte ich mir natürlich auch von diesem Ausflug erhofft. Aber es war überfüllt mit Touristen, sodass wir lieber zum Bauernhof fuhren. Endlich konnte ich Emil wieder knuddeln. Und Valentina genoss sichtlich vergnügt die kleine Reitstunde auf seinem flauschig breiten Rücken. Ein paar Skizzen hatte ich grade fertig, als nachmittags Regen aufkam. Wir haben uns von Jakob verabschiedet und sind nach Hause. Wenn ich doch nur nicht die Tasche auf der Weide vergessen hätte… da waren meine Malsachen drin! Debby war zum Glück schon wieder zurück, also konnte sie den Babysitter spielen. Aber ich hätte mir den nochmaligen Trip zum Bauernhof echt schenken können. Die Sachen waren eh nass, ich wurde auch nass. Und an der Bushaltestellte wartete ich ewig! Mein Handy lag zuhause, Jakob war mit dem Verkäufer unterwegs und ich stand im Nirgendwo und wurde pitschnass. Es wurde richtig spät und kalt. Robert war schon ganz krank vor Sorge und wollte gerade nach mir suchen, als mich unterwegs ein Taxi endlich mitnahm und vor der Haustür absetzte. Mir war kalt und ich wollte nur noch ins Bett. Und ich war sauer - über mich selbst und wegen der ruinierten Bilder. Das einzig Gute an diesem Tag waren die warme Suppe, die mein Mann mir abends ans Bett brachte, und sein Entschluss, dass wir dringend ein neues Auto bräuchten… ein Fiat wäre nicht schlecht.

Ein bisschen verschnupft habe ich tags darauf ein paar Behördengänge erledigt - es regnete noch etwas. Und die Sprache ist immer noch ein Problem. Mein kleines Wörterbuch hilft zwar, aber ich sollte schnellstens italienisch lernen. Debby will ihrem Liebsten und mir dabei helfen. Valentina beherrscht die Sprache übrigens schon perfekt - niemand kann besser „Mamma“ sagen als sie.

Mama… wenn die Fehlgeburt nicht gewesen wäre, dann wäre ich das jetzt wirklich. Manchmal frage ich mich, was wäre, wenn ich damals unser gemeinsames Kind nicht verloren hätte. Wären wir dann jetzt auch hier in Verona? Oder gehöre uns ein eigenes Haus im Dorf in der Nähe des Fürstenhofs? Hätte Valentina eigentlich eine kleine Schwester oder einen kleinen Bruder?

Grübeln bringt nichts, ich hab eh schon Kopfschmerzen - vermutlich hab ich mir was weggeholt. Hm, ich sollte besser meine Zeichnungen neu machen, bis dahin…

Deine

PS: Robert ist die beste Kombination aus Heizdecke und Wärmekissen - wirklich!