Montag, 28 Mai 2012 [Woche 33]
by XShipper
Verschoben, versalzen, verbrannt, vergessen, verloren!



manchmal ist das Leben eine Abfolge von Dingen, die deine ganze Terminplanung durcheinander bringen. Verschoben, verschoben, verschoben – voll verschoben. Alles wurde verschoben. Eigentlich hätte diese Woche meine Lesetour stattfinden sollen. Aber, wie du dir sicher denken kannst, wurde sie verschoben… und das aus vielerlei Gründen:

Zuerst hat sich südlich von Verona gleich die ganze Erde verschoben, ein Erdbeben erschütterte Norditalien, was viele in Angst und Schrecken sowie Trauer versetzte. Altertümliche Gebäude und historische Burgtürme wurden zerstört, aber auch Schulen. Dass Menschen aus ihrem Leben gerissen wurden, war besonders tragisch. Aufgrund der Nähe zu einem meiner Stopps auf meiner Tour rief mein Verleger an und erklärte mir gegenüber erstmals seine Besorgnis zur Durchführung des ganzen Projektes.

Als dann auch noch ein Bombenanschlag auf eine Schule in einer Küstenstadt verübt wurde, die wiederum in unmittelbarer Nachbarschaft zu einem der Orte liegt, wo ich vor den Kinder hätte lesen sollen, gab es stundenlange Krisengespräche. Zudem bettelte mein Bruder mich förmlich an, nicht zu fahren. Aus irgendeinem Grund machte ihm die Tatsache, dass man die Mafia dahinter vermutete, ungemein Angst.

Nun wird ein neuer Termin ausgehandelt – aufgeschoben ist nicht aufgehoben. Ich bin gespannt, wann dieser sein wird. Tja, wenn du also denkst, es geht nicht mehr, kommt von irgendwo ein Lichtlein her. So hab ich unplanmäßig Zeit, wofür meine Kolleginnen im Kindergarten sehr froh sind. Und auch Robert ist glücklich, sodass er der Meinung war, als Ersatz für die Lesestunde gäbe es eine Kochstunde mit ihm als weltbesten, aber leicht aus der Fassung zu bringen Lehrer. Seine Küchenmannschaft staunte nicht schlecht, als ich mit entsprechender Schürze in die Küche tapste.

Ich durfte mich an der Nudelteigmaschine versuchen und drehte mehrmals den Teig für unsere Ravioli durch. Dazu gab es zwei verschiedene Sorten traditionelle Pecorini. Das ist Schafskäse nach „pecora completo“-Art. Als wir diesen Hand in Hand rieben, verursachten wir vor lauter Jux und Dallerei eine riesen Sauerei. Mein Lieblingskellner George stand oftmals grinsend an der Tür zur Cucina und schaute uns beim lustigen Treiben zu. Nicht selten musste Robert ihn an seine Pflichten erinnern und wieder in den Gastraum scheuchen, dabei nahm es mein Mann mit den seinigen selbst nicht wirklich ernst. Zusammen mit etwas Geleemasse bereiteten wir dann doch noch den Käse als Füllmasse vor und nach wenigen Minuten Siedezeit sowie einer leckeren Zitronenbuttersoße war unser Feldversuch fertig. Ich gestehe: leider erst beim 2. Anlauf… die ersten paar Ravioli hatte ich regelrecht zerkocht und total versalzen. George wurde gleich mal als Testesser wieder herbei gerufen und musste als Erster kosten. Selbst wenn er tot umgefallen wäre – der Typ ist einfach so charmant – er hätte noch mit seinen letzten Atemzügen gemeint, das Essen sei mir gelungen und wäre köstlich. Zum Glück brauchte er nicht sterben, denn es schmeckte wirklich ausgezeichnet. Der durch das nur kurzweilige Erhitzen flüssige Pecorina zerging auf der Zunge und alle waren sehr stolz auf mich – wieder ein italienisches Rezept gelernt.

Zur Feier des Tages erklärte sich Robert noch am Abend selbst zum Hausmann. Während ich nochmals einige Telefonate bezüglich der geplatzten Reise machen musste, wusch er die Wäsche, windelte die Kleine und brachte sie mit einer süßen Geschichte ins Bettchen, anschließend bügelte er die Sachen, die er frisch aus dem Trockner holte. Irgendwie bezeichnend, dass ich kein Ass hinterm Herd bin, denn Robert zeichnet sich beim Bügeln nur durch seinen (stetig schwindenden) Waschbrettbauch aus, alles andere sollte zukünftig aus feuerfesten Stoffen bestehen. Plötzlich roch es beißend und Valentina fing ersatzweise als Feueralarm schrillend an zu jammern. Ich dachte schon, die Welt ginge unter, als auch schon Robert zu mir kam. Na gut, ein bisschen ging die Welt schon unter, schließlich war eines meiner teuersten Kleider völlig ruiniert. Es war mein Lieblingskleid, das blaue, welches ich damals bei unserer ersten Reise nach Verona hier gekauft hatte – extra für ihn. Und er, mein Mann, hatte aus Versehen das Bügeleisen da drauf abgestellt. Robert sah mich an wie 3 Tage Regenwetter und wusste mit seiner Schuld gar nicht wohin. Er hielt es hoch und versuchte dem Ganzen noch einen Sinn zu geben: „Jetzt ist es ein Umstandskleid – dein kugelrundes Bäuchlein würde hier doch prima durchpassen, meinst du nicht?“ Wie kann man so einem treudoof dreinblickenden Kerl schon sauer sein? Und neue Klamotten shoppen wollte ich doch sowieso. Aber ich bin am Überlegen, ob ich ihn wirklich allein lassen kann, wenn ich denn dann fahre?!

UZwar war der Vorfall noch nicht ad acta gelegt, aber wir schauten uns erstmal mit heißem Tee versorgt und in kuscheligen Decken eingehüllt den Gran Prix an. Robert konnte gar nicht verstehen, wieso ich schon wieder ständig am Telefon hing und mir die Finger wund wählte. Als schließlich die Wahlergebnisse von Italien bekanntgegeben wurden, sprang ich vor ihm rum und freute mich. Er hingegen verdrehte nur die Augen und klopfte neben sich auf die Couch, dass ich mich doch bitte wieder setzen möge – ich versperrte ihm die Sicht. Für einen Sieg hat es natürlich bei Weitem nicht gereicht…

Um sich für das Dilemma zu entschuldigen, trommelte er Jacob und Debby zusammen – die hatten wenigstens Zeit – und gemeinsam fuhren wir gestern bei bestem Sonnenwetter und blauem Himmel hinaus zum Gardasee. Ich war da noch nie. Nur leider konnte ich von unserem Familienausflug keine Fotos machen, schließlich hatte Robert ihn als Überraschung geplant, sodass ich vor Schreck all die wichtigen Dinge vergaß: Kamera und dich, mein Tagebuch. Und wie es der Zufall so wollte, hatten die anderen auch keine Fotoapparate bei… ebenfalls vergessen. Im Nachhinein ist das sehr schade, denn es war wirklich lustig. Unsere Männer blühten zu wahren Trollprotzen heran und imponierten uns Mädels mit allerlei Dingen. Regelrechte Wasserschlachten fanden auch statt und wir versuchten uns alle im Handstand unter Wasser. Unsere süße Valentina baute ihre erste Kleckerburg und lief lieber vor den Wellen weg als das wir sie ins Wasser bekamen. Und mein Sonnenbrand auf dem Rücken bekam nochmal eine Ladung Sonne oben drauf. Nachdem es zu kühl wurde, um noch länger am Strand zu verweilen, fuhren wir wieder heimwärts. Zuerst ging es Richtung Bauernhof, wo wir meinen Bruder mitsamt Freundin abgesetzt haben, dann weiter nach Hause.

Oh, Moment, mein Handy bimmelt, ich bekomme eine Nachricht… Ich fasse es nicht, Debbie hat geistesgegenwärtig mit ihrem Handy doch ein Foto von unseren Kindsköpfen geschossen.



Das muss ich Robert unbedingt zeigen, das ist wirklich zu herrlich. Dabei kann er mir gleich noch den Rücken eincremen…

Deine