Sonntag, 13 Mai 2012 [Woche 31]
by XShipper
Muttersein am Muttertag



Wir hören laut Radio, aus dem schon den ganzen Nachmittag schnulzige wie leichte italienische Lieder dudeln. Wir spielen mit unserer Kleinen mal Fange, mal Verstecken, vergessen die Welt um uns herum und unser Lachen scheint man über halb Verona hören zu können. Es herrscht eine wunderbare Stimmung in unseren 4 Wänden, doch trügt mein Herz mich nicht, dass alles hier nur dem Schein dient, das Offensichtliche zu überdecken zu wollen: Es ist Muttertag!

Und ich kann weder meiner Mama mehr danken noch steht mir ein Danke zu. Doch zählt an einem Muttertag nicht das biologische Fleisch und Blut, vielmehr ist es eine Herzensangelegenheit… zumindest will mir das Robert immer wieder weißmachen. In meinen schwachen Momenten will ich ihm auch glauben. Aber wenn mein Hirn sich dann und wann einmischt, sehe ich die harten Fakten und das rational-logische Ergebnis der vergangenen Ereignisse.

Okay, Trübsal blasen war noch nie einer meiner Stärken, das muss ich zugeben. Bevor ich also deine Seiten mit unnötigem Zeugs vollschreibe, höre ich lieber auf damit und helfe Robert beim Suchen unseres Goldlöckchens.

Eigentlich wären meine beiden Lieblinge heute gar nicht hier, jedenfalls hätten sie es nicht sein müssen. Der Fürstenhof steckt zurzeit gewaltig in der Klemme und mein Mann hätte helfen können, schließlich ist das Nobelhotel sein Elternhaus. Mein Schwiegervater flehte ihn förmlich an, zurückzukommen, um das Anwesen als Familienbesitz zu retten. Ich war beim Telefonat an Roberts Seite und konnte das Gespräch mithören. Während er mit Werner sprach, suchte er meinen Blick und hatte bereits eine Entscheidung für sich getroffen. Ich konnte es ihm ansehen und schüttelte stumm den Kopf. Ich hätte es verstanden, wenn er gegangen wäre. Zusammen mit Valentina, die mal wieder ihre Großeltern gesehen hätte. Es war mitten in der Woche und ich war so kurz vor meiner Lesereise nicht abkömmlich im Kindergarten. Die Familie Saalfeld ist eben voller Sturköpfe – so wie er erklärte, dass man Charlotte nicht von ihrem Vorhaben abbringen würde können, war auch Robert von seiner Entscheidung voll und ganz überzeugt.

Er ergriff mit seiner freien Hand die meine und führte sie an seine Lippen. Ein Lächeln umspielte seinen sanften Kuss. Als er den Hörer dann beiseitelegte, hielt er unsere verbunden Hände ganz fest an seine Brust. Sein schlagendes Herz raste und mich überkam eine wollige Wärme. Seine folgenden Worte werde ich nicht so schnell vergessen: „Eva, die Zeit, die mir verbleibt, will ich mir dir verbringen… mit dir und Valentina!“ Ich erkannte das Funkeln in seinen Augen und fing an zu verstehen – unser Zuhause ist hier.

Zum Muttertag gab es von Valentina ein entzückendes Bild mit funkelnden Sternen. In ihrem Alter ist es eine süße Kritzelei – ähnlich jener, die sie sonst auch malt. Zusammen mit einer roten Schleife klebt es am Kühlschrank. Jedes Mal, wenn ich nun in die Küche komme und es sehe, vertreibt es mir irgendwie die Schatten und dunklen Gedanken aus dem Gemüt. Aber Robert schien dies noch nicht genug. Während eines romantischen Mittagessens mit ihm in seinem Restaurant sang er mir vor all den Gästen ein kleines Ständchen. Als er anfing, musste ich so lachen, aber er meinte es todernst und ich konnte ihn bei aller Liebe nicht stoppen.

Ich gesteh, den Anfang davon habe ich deswegen nicht so ganz mitbekommen. Und das Lied selbst war in Italienisch, also verzeih mir, wenn es ich nicht so ganz wiedergeben kann: Nachdem Robert seine Miriam verloren hatte, drehte er sich nur im Kreis und im Geiste wurde er wieder Kind. Seine Welt verkam zu einem wilden, freien Spielplatz, den er auf keinen Fall verlassen wollte. Tag um Tag war er nur für sich da, doch dann stand ich vor ihm. Für ihn war ich die Erscheinung wie eines funkelnden Sternes, als die Zeit plötzlich stehen blieb und sein Herz die Liebe neu entdeckte. Ihm wurde warm und alles wurde traumhaft schön. Seine Welt hat sich seitdem verändert, tief in seinem Inneren kennt er nun die Bedeutung und was er sehe, das sei ich! Ich bin hier und ich bin wahr. Und mit mir fühlt er sich hier zuhause! Was er heute sieht, bin ich!

Ich weinte ohne Unterlass und lachte zugleich. Es war so surreal, was er sagte, wiederum so wahr und ich fühlte mich auf seltsame Weise geehrt. Für einen Muttertag ein unglaubliches Geschenk. Ich bin keine böse Stiefmutter, wie man sie aus Märchen her kennt, und sowohl Robert als auch vor allem Valentina machten es mir umso mehr deutlich – eigentlich jeden Tag, nicht nur heute. Und ich bin diejenige, die Danke sagen muss. Um mich herum habe ich eine Familie – was will eine Frau mehr?

Oh, den Spatz finden… genau! Ich muss wieder, also bis bald!

Deine