Verona Diaries - News


Wenn der Fantag nicht gewesen wäre... ja, das denkt sich grad eure "Verona Diaries"-Autorin, die gestern Nacht noch mit Eumeline die ganzen Fantag-Eindrücke für euch zusammenstellen wollte. Aus, Schwarz, Nichts! Das war allerdings die Reaktion des Rechners! Bedauerlicher Weise muss diese technische Katastrophe erst einmal geklärt und hoffentlich repariert werden. Bis dahin bleiben Eva und ihre Angehörigen auf der Flucht vor Curt Heinemann! Wir bitten um euer Verständnis!

Sonntag, 02.06.2013 [Woche 84]
by XShipper   
Ein katastrophaler Geburtstag    



Liebes Tagebuch,

Ich rieche den streng sterilen und doch auch beißenden Geruch, der sich in meiner Nase festgekrallt hat. Höre die dumpf schallenden, schnellen Schritte von jenen, die eilig herbei eilen, durch die Gänge huschen und überall gebraucht werden. Die schlitternden Räder von diesen Wägelchen, auf denen alles Nötige transportiert wird, huschen durch mein Sichtfeld und scheinen den glatten Boden zu zerkratzen. Bis herber Duft und köstliches Aroma dampfend aus einer Tasse hinauf steigen, die mir plötzlich vorgehalten wird. Ich war so vertieft darin, meine Gedanke auf deine Blätter zu bringen, und gleichfalls zu paralysiert von den Ereignissen, zu betäubt von dieser enormen Geräuschkulisse dieses Flures, dass ich gar nicht gehört hatte, wie mein Bruder zurück aus der Cafeteria kam und mir nun diesen Kaffee hinhält.

Müde lächelnd und mich leise für diese Aufmerksamkeit bedankend, schaue ich hinauf und blicke in ein besorgtes Augenpaar. Aber wir finden Zuversicht bei uns und nachdem er sich neben mich setzte, lehnen unsere Schultern aneinander, während wir fast schon synchron – aber für Geschwister eben auch nicht untypisch – unsere heißen Tassen halten. Wir warten und schlagen die Zeit tot, bis wir endlich Gewissheit haben. Noch ist die Tür vor uns verschlossen und gibt keinen Deut davon Preis, was sich dahinter alles abspielt, welche Gefühle oder gar Schmerzen hoch kochen.

Während ich immer wieder am Kaffee nippe – der von ausgesprochen guter Qualität ist, anders als die Plörre damals im deutschen Krankenhaus, in dem ich lag –, versuch ich also ein bisschen von dem aufzuschreiben, was eigentlich passiert war. Dass mich Jacob interessiert zuschaut und ich ihn gar gewähre, mitzulesen, ist wohl der Situation geschuldet.

Denn eigentlich sollte es doch ein ganz normaler Geburtstag werden… mit einer hübsch bunt gestalteten Feier, vielen fröhlichen Kindern und jeder Menge Spaß. Nach all dem Stress und dem Chaos wollten wir unserer Kleinen einen normalen Kindergeburtstag bereiten, den wir die Tage zuvor versucht hatten, heimlich auf die Beine zu stellen.

Dass der Knirps natürlich eine Meisterin darin ist, die Verstecke für die Geschenke ausfindig zu machen, gehört eben auch zum Kindsein einfach dazu. Wenn Valentina dann mit ihren Funden nachmittags ins Wohnzimmer, während des Kochens in die Küche oder gar noch nachts ins Schlafzimmer gerannt kam, rumkreischte und die Päckchen immer wie wild schüttelte, war zwar anstrengend, Nerven raubend, Schlaf kostend, aber eben auch ein Ritual, was uns lehren sollte, es beim nächsten Mal geschickter anzustellen.

Ja, selbst zu später Stunde hatte sie sich aus ihrem Zimmer geschlichen, nachdem sie es wohl einfach nicht mehr länger aushielt. Zuvor schon hatte ihre Schatzsuche Erfolg mehrfach und zuletzt brachte sie stolz wie Oskar eine große Einkaufstüte zu mir. Darin befanden sich mehrere kleine, leider noch nicht eingepackte Spielsachen – alle natürlich für sie bestimmt. Ich schalte mich selbst dafür, dass ich das Einpacken nicht gleich nach dem Nachhausekommen erledigte, sondern erst einmal alles in den Schrank gestellt hatte. Nun hatte ich den Salat, dieses furchtbar aufgeregte Kind schrecklich enttäuschen zu müssen.

Was sollte ich machen? Böse schimpfen und sie bestrafen, dass sie unartig war? Ein Ding der Unmöglichkeit, schließlich war das Dilemma ja meine Schuld. Diesem schmollenden Fratz dennoch alles wieder wegzunehmen zu müssen und ihr ruhig versuchen zu erklären, dass sie sich leider noch ein paar Tage gedulden würde müssen, war dann natürlich nicht einfach und auch zuerst für Valentina nicht zu verstehen. Aber ich konnte sie damit ködern, dass ich noch mal ein Versteck suchen werde und es dann noch mehr Überraschungen für sie gäbe. Das war für’s erste mein Trick 17.

Bis zur vorher erwähnten Nacht, in der sie dann auf unser Bett kletterte, auf unseren Füßen und Beinen und zwischen uns rumhüpfte,… denn irgendwie war sie der Meinung, sie hätte lang genug gewartet. Ihre Ärmchen waren beladen mit Geschenken und Robert bekam fast einen Koller, während ich an meinen Erziehungsmethoden zu zweifeln begann.


Ein Schnaufen huscht soeben an meinem Hals vorbei und schaue hinüber – mein Bruder kichert kindisch. Das ist mein Tagebuch, er braucht es ja nicht lesen, wenn er es albern findet… Aber nein, er grinst zwar schief, meint jedoch mit seinem Kopf nickend: „Zweifle bloß nicht an dir, Schwesterherz. Du machst das bisher doch alles super!“ Ich schau ihn an und kann nicht verhindern, dass mein Herz zu rasen beginnt und sich am Rande meiner Augen Tränchen bilden. Ich bin gerührt und immens froh zugleich, dass er genau in diesem Moment hier ist und mir das sagt.

Und wahrlich, es gab keinen Grund, auf Valentina böse zu sein. Robert schnaufte zwar (das können meine beiden Männer wahrlich gut, was mir auch prompt einen Seitenhieb meines Bruders einbringt), aber nach einem kurzen Blick auf die Uhr auf dem Nachtschrank zu seiner linken verriet, dass es tatsächlich schon Valentinas 3. Geburtstag war. Die Nacht war plötzlich jung und der Tag würde wahnsinnig lang werden – das wussten wir beide, aber dass alles letztlich so ausgehen würde, war uns in diesem Augenblick der kindischen Unbekümmertheit Valentinas noch nicht klar. Wir ließen sie den Moment auskosten und die ersten Geschenke aufreißen, dass die Schnipsel nur so durch die Luft flogen. Es war schön und für uns drei auch lustig, denn irgendwann lachten wir uns förmlich in den Schlaf… mit Valentina und den Kuscheltieren und den Spielsachen in unserer Mitte.

Als uns dann der Tag begrüßte, lagen wir zusammen gerauft als ein ganzes Knäuel im Zentrum des Bettes. Der Wecker fiepte lautstark und riss uns aus dem Schlaf. Roberts Arm schnellste aus irgendeiner Deckenöffnung hervor und knallte energisch auf den Aus-Knopf. Leider so heftig und fehlplaziert, dass der ganze Apparat aufgrund der Wucht zu Boden fiel und somit für aus jedweder Reichweite einfach weiter schrillte. Wir mussten also leider aufstehen und endlich den Geburtstag in Angriff nehmen. Dass man aber ausgerechnet die Prinzessin des Tages an den Füßen aus dem Deckengewühl herausziehen konnte und sie selbst davon nicht zu wecken war, gab uns als Eltern die Gelegenheit, ohne Störung das Frühstück vorzubereiten. Leckere „Crespelle“, hauchdünne und süß gefüllte italienische Eierkuchen, ähnlich wie französische Crêpes, lockten dann das Geburtstagskind hervor.


Ich verheimliche ja nicht viel vor meinem Bruder, aber was beim Schlagen der Eier in der Küche abging, werde ich wohl notgedrungen hier auslassen. Jacob winkt schon ab und will’s gar nicht so genau wissen. Er rutscht schon extra einen Meter weiter. Aber manchmal muss der Phantasie auch freien Lauf lassen. Während mir wahrscheinlich grad die Röte ins Gesicht steigt, verschluckt sich mein Bruder beim Lachen. Wenn er nicht so weit weg säße, könnte ich ihm ja jetzt auf den Rücken klopfen. Tja, Pech, mein Großer!

Der Tag nahm seinen Lauf und wir verabschiedeten uns fürs Erste voneinander. Ich musste mich zusammen mit Valentina auf den Weg zum Kindergarten machen und Robert ging runter in die Küche. Ein Teil des Caterings war bereits fertig, aber er wollte noch was ganz Besonderes vorbereiten. In der Einrichtung selbst hatten meine Kolleginnen den großen Aufenthaltsraum mit vielen Girlanden, Luftschlangen und Ballons dekoriert und die anderen Kinder hatten fleißig bunte Bilder gemalt, die es nun noch aufzuhängen galt. Valentina wurde indes von all ihren Spielkameraden und Freunden umzingelt, die ihr alle gratulierten und ausfragten, ob sie dies und jenes, was bei Kindern gerade angesagt schien, bekommen hatte. Ein wilder lauter Haufen eben.

Wir feierten ausgiebig mit vielen Spielen und Aktionen, weitere Geschenke wurden ausgepackt und der Hunger aller wurde immer größer. Glücklicherweise tauchte dann Robert mit einer atemberaubenden„Torta di Compleanno“ auf. Allen verschlug es den Atem und Valentina war begeistert – ach, wir alle. Ich war in dem Moment so stolz auf meinen Mann, was für ein unglaubliches Meisterwerk er kreiert hatte. Kein Wunder, dass er noch einmal in die Großküche des Restaurants wollte.




Für Valentina hatten wir einen schönen Geburtstag hinbekommen, das war uns wichtig. Ihr Strahlen zu sehen, war jede Mühe und sämtliche finanzielle Kosten wert. Denn nichts ist kostbarer wie sie, nichts ist wertvoller als das Leben selbst… diese Weisheit sollte uns an diesem eigentlich schönen Tag noch deutlich vor Augen gehalten werden.

Am späten Nachmittag war dann Schluss mit lustig, wir packten alles zusammen, räumten auf und sagten zu den Betreuerinnen und den anderen Kindern auf Wiedersehen und bis Montag. Wir wollten nach Hause, doch dort kamen wir nie an. Als wir mit unserem Wagen, den Robert für das ganze Essen und die Torte benutzt hatte, zurückfuhren, sahen wir mehr und mehr Rauchschwaden aufsteigen, je näher wir unserem Zuhause kamen.

Aus den Fenstern des Restaurants drang Qualm heraus und ferne Sirenen kündigten das Herbeieilen der Feuerwehren an. Robert musste abschüssig parken, damit die großen Wagen bis zu unserer Straße durchkommen würden können. Aber noch waren sie nicht zu sehen, während wir völlig entsetzt das Inferno betrachteten. In Panik rief ich meinen Bruder an – wobei ich gar nicht wusste, weswegen ich dies tat, was ich ihm überhaupt erzählen sollte, vor allem was hätte er schon tun können. Doch er machte sich eiligst auf den Weg.

Das „12 Apostoli“ sollte erst zum Abendgeschäft aufmachen, aber natürlich war die Mannschaft bereits vor Ort, um die Essen vorzubereiten. Und sie hatten auch den Rauch bemerkt, der bereits in der Küche vor sich hinschwoll, als sie diese zum Arbeitsbeginn betreten hatten. Einer der Öfen, die Robert zuvor noch benutzt hatte, schien einen Defekt gehabt zu haben. Hals über Kopf stürzte sich mein Sternekoch, der sich in der Verantwortung sah, durch die Eingangstür und war augenblicklich im dichten Qualm verschwunden noch ehe ich schreiend davon abbringen konnte. Meine Hand griff ins Leere, zu schnell war losgelaufen.


Und so nahm das Unheil seinen Lauf, weswegen ich hier auf dieser Bank im 3. Flur des Krankenhauses sitze und warte wie auch hoffe, dass endlich der Arzt aus Roberts Zimmer rauskommt und gute Neuigkeiten für uns hat. Der Verrückte hatte sich eine Rauchvergiftung zugezogen und war von den Feuerwehrmännern ohnmächtig in der Schwenktür zur Cucina am Boden liegend gefunden worden. Dummheit und pures Glück zugleich bedeuteten das Schicksal meines Mannes. Dass ich dabei 1000 Tode starb und Valentina im Arm haltend fast erdrückt hatte, dass sie anfing zu weinen, obwohl sie die ganze Situation nicht verstand, brachte ihrem Vater noch gleich ein paar böse Blicke von mir ein. Ihm geht’s den Umständen entsprechend, er wird schon wieder. Aber mir wäre es lieber, ich könnte meinen Ani-Held endlich mit nach Hause nehmen. Und diese Entscheidung oblag der ärztlichen Untersuchung, die hinter dieser Tür zu Roberts Krankenzimmer vonstatten ging.

Seit dem Ereignis saß ich oft da drinnen auf der Kante seines Bettes und hielt seine Hand. Ihm tut es ja schrecklich leid und es ist ihm sogar so peinlich, dass ich seinen Eltern von diesem Vorfall nichts erzählen darf. Ich überlege, ob ich mich daran halte oder Charlotte und Werner darüber in Kenntnis setze, dass ihr Sohn um ein Haar das Zeitliche gesegnet hätte. Ich kann nur den Kopf darüber schütteln und froh sein, was für ein Glück er hatte – den Schutzengeln und bestimmt auch seiner Miriam im Himmel sei dank.

Die magische Tür öffnet sich plötzlich und reißt mich aus meiner Gedankenwelt und von der Bank hoch. Dass mein Tagebuch dabei runter fällt, registriere ich nur kaum. Robert steht angezogen und verschmitzt wie müde lächelnd im Türrahmen, während der Mann im weißen Kittel sich an ihm vorbei schlängelt und auf mich zukommt. Was dieser mir sagt und rät, geht in einem Ohr rein und im anderen wieder raus. Ich will meinen Robert nur endlich wieder in die Arme nehmen. Zum Glück hört Jacob dem Arzt aufmerksam zu und bespricht die weiteren, wichtigen Dinge mit ihm, während ich die kurze Distanz zu diesem Dummkopf von Ehemann verkürze und ihn mitten in einer unnützen Entschuldigung mit einem Kuss zum Schweigen bringe.

Endlich nach Hause, ich will nur noch mit ihm nach Hause. Valentina und Debbie, die heute zuhause auf sie aufpasst, denn beide den letzten Besuchen war sie eigentlich immer dabei, warten bestimmt schon.

Deine