Sonntag, 22 Januar 2012 [Woche 15]
by XShipper
Emmas Besuch

Das Schöne überwiegt!

Freud und Leid lagen in dieser Woche ziemlich nah beieinander! Die Medien und die Gesprächsthemen waren voll mit den schrecklichen Ereignissen zum Schiffsunglück. Jeden Tag gab es neue Horrormeldungen, skandalöse Neuigkeiten und leider auch mehr Opfer! Es ist eine so grausame Vorstellung. Und erfahren zu müssen, dass der Kapitän, der doch die Verantwortung für so viel Menschenleben in seinen Händen hielt, feige im Angesicht seines Versagens war, lässt in uns allen die Wut hochkochen. Ich bin nur heilfroh, dass es dennoch so viele Passagiere heile und gesund an Land geschafft haben.

Als unser Lieblingsbäcker vor ein paar Tagen wieder selbst hinter seinem Tresen stand und sich eigentlich nur in seinen Alltag reinfinden wollte, wurde er regelrecht überrannt von Freunden, Bekannten und Stammgästen – allen ging sein Schicksal nahe und wollten seine Geschichte hören. Seine arme Frau wurde jedoch krankgeschrieben, ihr steckt der Schock noch sehr tief in den Knochen. Ich kann beide gut verstehen, wie es ist, dem Tode nur knapp entkommen zu sein.

Nun aber zu den schönen Dingen des Lebens! Ich liebe italienische Musik. Mein aktuelles Lieblingslied ist von einem Sänger namens Biagio Antonacci. Er hat einen wirklich schönen Song geschrieben, den ich abends immer gerne noch einmal über die Anlage laufen lasse, bevor wir ins Bett gehen und noch etwas kuscheln oder mehr... Es heißt „Sognami“ und handelt von Träumen! Ich finde den Klang seiner Stimme toll, der Rhythmus vom Takt ist so einnehmend. Es scheint melancholisch angehaucht, aber gleichzeitig sehr beschwingt. Ich liebe es, könnte es rauf und runter hören und dabei wundervoll träumen. Während ich dir gerade schreibe, höre ich es wieder. Generell sollte ich mich aber mal mehr mit der italienischen Musik-Kultur befassen… die ist wirklich schön!

Ach Mensch, ich wollte dir doch was berichten! Emma war hier! Ich hatte dir ja bereits vor ihr erzählt, als ich diesen einen Artikel über ihre Baby- und Kinder-Kollektion von Princess Dirndl fand. Am Montag war es schon soweit! Zeitgleich zur Fashion Week in Berlin hatten hier im Umkreis von Verona kleine Boutiquen sowie Einkaufscenter hier und da ein paar Events gestartet. Darunter war auch Emma ihre Modenschau im „Il Quadrante“, ein Einkaufsparadies für Bekleidung mit einer Super-Auswahl an internationalem Chic. Bayrische Trachtenmoden durften da also nicht fehlen.

Anfangs war alles ziemlich hektisch, da wir spontan entschieden hatten, sie vor Ort zu überraschen. An dem Tag hatte Robert zum Glück frei, da das Restaurant seinen Ruhetag hatte. Valentina gaben wir, da wir nicht wussten, wie der Tag verlaufen würde, in die Einrichtung ab, denn normaler Weise haben wir sie montags zuhause. Jacob sprang als Abholer ein. Wir sind zwar mit dem Auto hingefahren und es dauerte nicht lange, da waren wir schon da, aber vor Ort mussten wir dann ewig nach einem Parkplatz suchen. Im Center selbst waren Massen über Massen, alle schaulustig und kaufwütig. Wir dachten schon, in dem Chaos würden wir Emma nie finden, oder sie nur sehen, aber nicht an sie ran kommen. Es herrschte Hektik und Gerangel. Von der Ausstellung selbst haben wir leider nicht viel mitbekommen bzw. nur den Schluss gesehen. Aber die kleinen Kleidchen für die Mädchen und Babys waren herzallerliebst und zuckersüß. Ein bisschen habe ich mich dann geärgert, dass wir Valentina nicht mithatten. Robert meinte jedoch, dass das womöglich gut so war, sonst hätte ich die Kleine wirklich in jedes einzelne Kostüm gesteckt. Er hat ja so recht.

Der Schreck der Woche folgte, als ich schräg von uns eine in schwarz gekleidete Frau stehen sah. Sie gierte praktisch nach den Babysachen und konnte ihren Blick nicht von den ausgestellten Fotos wenden. Ich bekam leichte Panik, erinnerte sie mich doch stark vom Aussehen her an eine gewisse… Barbara. Mein Mann hat wunderbar starke Arme, also klammerte ich mich an ihm fest und hoffte inständig, dass mich meine Augen täuschten. Robert dachte, mir wäre es zu eng und deswegen ginge es mir nicht gut. Seine beschwichtigenden Worte halfen nicht viel; kurz verschwand sie aus meinem Blickfeld, was ich noch beunruhigender fand. Wir wollten uns immer noch einen Hund zulegen, der Sicherheit bedeutete, daher versuchte ich wieder runterzukommen und atmete erst einmal tief durch. Sie konnte es ja nicht gewesen, schließlich war Barbara von Heidenberg tot. Vermutlich war es nur eine Frau, die ihr verdammt ähnlich sah. Genauso musste es sein.

Als wir uns dann endlich soweit vorgedrängelt hatten, war die Vorstellung leider auch schon vorbei. Mit schmerzenden Füßen und voll verschwitzt, weil es verdammt warm im Gebäude geworden war, standen wir plötzlich vor der umjubelten Designerin aus Kanada mit österreichischen Wurzeln. Wirklich ein Bild für die Götter als sie uns entdeckte und Robert erkannte. Natürlich war die Freude groß und sie fiel ihm gleich um den Hals. Ehe ich mich allerdings versah, steckte ich mit in dieser freudigen Umarmung drin. Ich kann mir nicht helfen, aber mir war sie gleich sympathisch. Und als sie dann auch noch drauf los schnatterte, wie alles aufregend heute gewesen sei, sie gar nicht wüsste, wie ihr geschah, sie es gar nicht fassen könnte, uns hier zu sehen, dass sie unbedingt Felix anrufen und ihn davon erzählen müsste, sie mit uns unbedingt eine Tour durch Verona machen möchte und Valentina kennenlernen wollen würde sowie mit mir liebend gerne quatschen täte… woaah, was für ein Energiebündel! Ich kann es zwar nicht erklären, aber Emma und ich hatten sofort einen Draht zueinander. Und Robert stand daneben und guckte völlig irritiert als wir Frauen sogleich in einer hitzigen Diskussion steckten und uns über Babygrößen berieten.

Es dauerte noch eine Weile, ehe alles abgebaut und wieder aufgeräumt war. Emma koordinierte ihre Leute, da ging das aber alles reibungslos. Sie erzählte uns derweil, dass sie mit der aktuellen Kollektion auf Tour durch Europa ist, am folgenden Nachmittag hätte sie bereits den nächsten Gig. Wir waren traurig darüber, hätten wir sie doch noch länger hier gehabt. So hieß es also, den Tag noch so gut wie möglich nutzen und noch reichlich mitnehmen, was ging. Nach ein paar letzten Erinnerungsfotos mit glücklichen Interessierten und Käufern – auch wir durften nicht fehlen –, klärte Emma alles für den nächsten Tag und die Abreise ab, dann machten wir gemeinsam Verona unsicher.



Wir hatten einen Plan: Die letzten hellen Stunden des Tages für die Stadt-Tour, abends gemütlicher Ausklang bei uns daheim. Gemacht, getan. Mit dem Auto ging es zurück nach Hause, da haben wir alles Überflüssige abgeladen und uns umgezogen. Von dort aus sind wir zu Fuß los.

Unser Hauptausgangspunkt war natürlich die Ader der Stadt „Via Mazzini“, die von der Piazza Brà – dem Empfangssalon von Verona mit seinem römischen Amphitheater – bis zur Piazza della Erbe – dem sogenannten Wohnzimmer Veronas mit allerlei Marktständen und Restaurants – führt. Diese Straße ist so voller Geschäfte berühmter Marken und eignet sich eigentlich super zum Touri-Shoppen. Die Piazza Brà ist ja nun auch sehr weitläufig und lädt einen schon dort ein, zu verweilen – ob nun im Park oder in einem der Cafés. Prunkstück ist natürlich die Arena und der Anblick dessen lässt einen immer wieder staunen. Ein Besuch lohnt sich auf jeden Fall immer, doch wir hatten bekanntlich nicht so viel Zeit.




An der Piazza della Erbe angekommen renkten wir uns die Köpfe aus und bestaunten den höchsten Turm Veronas, dem „Torre die Lamberti“. Wir hätten zwar die Stufen hochkratzeln oder auch den Fahrstuhl nehmen können, um die herrliche Aussicht von oben zu genießen, aber Emma wollte unbedingt weiter.

Zum Glück brauchten wir nur wenige Schritte die „Via Capello“ runter gehen, schon erhob sich zur linken Hand auf eine recht unspektakuläre Weise die Eingangspforte eines doch ganz besonderen Gebäudes, die „Casa de Giulietta“. Emma war schon ganz aufgeregt und zupfte wie ein kleines Mädchen ständig an mir rum. Robert und ich warfen uns derweil immer wieder vielsagende Blicke zu. Denn wie einst Romeo schwor er damals mir, seiner geliebten Eva – entschuldige, ziemlich viel Schmalz –, die ewige Liebe, und mit einem Kusse auf diesem berühmten Balkon besiegelten wir einander diesen Schwur. Wir nutzten die knappe Zeit des verbliebenen Tages und informierten uns im inneren des Hauses über die geschichtsträchtigen Figuren dieses Ortes. Zum Balkon kamen wir leider nicht, da eine Schar an Menschenmassen die gleiche Idee hatten.




Aber unten im Hofinneren rubbelten wir alle drei um unser Liebesglück an Julias Brüsten. Ihre Statue ist aufgrund der unschwer erkennbaren Abnutzungen stark gekennzeichnet, aber immer noch bildschön. Nach diesem Lacher und vielen neuen Eindrücken gingen wir wieder hinaus durchs Portal und bestaunten die vielen kleinen Liebesbriefe und Botschaften an der Wand, die zu Tausenden da bereits von unzähligen Besuchern angebracht worden waren. Dieser farbenfrohe Anblick ist immer wieder äußerst interessant. Und man munkelt ja, dass der ein oder andere Wunsch schon in Erfüllung gegangen sein soll – ich spreche aus Erfahrung.




Wir sind mit Emma dann weiter und vor allem auch mal abseits der überfüllten Hauptrouten gegangen und haben ihr ein paar verborgene Straßen und Plätze gezeigt, die Robert und ich so lieben. Alles, was im Namen vorweg irgendwie „Piazetta“, „Corticella“, oder „Vicolo“, aber auch „Corte“ trägt, beherbergt nicht selten von der reichen Atmosphäre römisch-romantischer Zeiten erfüllte und bezaubernde Fleckchen. Es ist wirklich so, dass, wenn man durch die Straßen dieser Stadt schlendert, es einem sehr schnell und sehr leicht fällt, sich in dieses Drama von „Romeo et Giulietta“ hinein zu versetzen. Man kann sich die zwei bekriegenden Familien zwischen allen den kleinen Häuserreichen und antiken Plätzen sehr gut vorstellen.






Zum Schluss unsere Tour standen wir dann zwischen dem Fluss „Adige“ und dem „Arsenale“, wo wir den Anblick der alten Brücke genossen, einen Eindruck von römischen Herrschaftszeiten bekamen und uns fast schon in die Zeit zurück versetzt fühlten. Von dort ging es über die „Ponte della Vittoria“ schnell und unkompliziert in nur weniger Minuten zurück ins Zentrum von Verona und ab nach Hause. Es war so viel los gewesen, sodass es uns vorkam, als ob die Zeit wie im Flug verstrichen war!



Dort wartete auch schon mein Bruder mit Valentina. Zeit zu bleiben hatte er leider nicht, denn Debby brauchte ihn dringend, also hieß es nur kurz Ciao sowohl als auch! In kleiner Runde machten wir es uns gemütlich und tranken nach Belieben unterschiedliche Kaffeespezialitäten aus Roberts neu erworbener Multifunktionskaffeemaschine… oder wie die Dinger heißen. Zwar hatte Emma viel zu erzählen, aber unser Sonnenschein brachte sie immer wieder raus. Sie fand sie so entzückend, dass wir schon Sorge hatten, am nächsten Tag würde uns ein Kind fehlen! Wir hätten daraufhin keines mehr, aber Emma dafür 3. Sie erzählte uns von ihren beiden Raufbolden, den Zwillingen Max und Moritz – die heißen wirklich so. Ich musste aufpassen, dass ich mir keine bösen Blicke deswegen einfuhr als ich deswegen kurz vor einem Lachanfall stand, aber anscheinend passiert ihr das öfter, wenn sie die Namen ihrer Jungs nennt. Ich finde es süß, keine Frage. Vielleicht hätten wir sogar unseren ersten Sohn Valentin genannt... Valentina und Valentin, da würden sicherlich auch wieder welche meinen, das wäre nicht sehr originell.

Emma liebt Kinder, daher hatte sie auch die Idee für die Mini-Dirndl. Sie möchte so gern eine Tochter, aber auch bei ihr und Felix ist zurzeit der Wurm drin. Unsere beiden Männer wünschen sich von uns zwei Frauen jeweils eine große Fußballmannschaft, während wir schon happy wären, wenn es überhaupt klappen würde. Ich erzählte ihr von der Fehlgeburt. Im Beisein von Robert fühle ich mich immer etwas schuldig deswegen, aber Emma fand tröstende Worte und sprach von Zuversicht. Sie mochte sich gar nicht vorstellen, wie es ist, das eigene Kind zu verlieren, was uns in unserem Gespräch über kurz oder lang zu einer gewissen Frau führte. Uns allen lief ein Schauer über den Rücken, als ihr Name fiel – Barbara. Als Emma von ihren Erlebnissen mit dieser schwarzen Witwe berichtete, taten sich unglaubliche Parallelen auf. Ich verstand sie sofort und konnte nachvollziehen, was sie wegen der durchmachen musste. Robert war inzwischen an meine Seite gerutscht und hielt mich fest. Er begriff, dass mich das alles noch sehr mitnahm. Wenn er wüsste, was ich heute geglaubt hatte zu sehen… In mir schwoll richtig Wut hoch, wie jemand wie Barbara nur so vielen Menschen so unsägliches Leid zufügen konnte, aber nie geschnappt wurde. Dass sie nun aufgrund eines lächerlichen, amateurhaften Flugzeugabsturzes tot sein sollte, erschien mich immer noch als zu banal… aber so sagte es die Polizei. Emma hingegen war über diesen Umstand sehr froh und sie fühlte sich sogleich viel befreiter.

Wir gingen über zu leichteren Themen und lauschten ihren Erzählungen. Sie berichtete von dem Hotel, welches sie in Kanada mit Erfolg führen und wie Felix in seinem Job aufgeht. So weit weg von Deutschland leben sie da aber nicht alleine in dem fernen Land, denn auch Felix’ Vater, Johann, betreibt mit der Ex-Frau von Andre, Evelyn, einen kleinen Hof unweit von ihnen. Sogar Rosalie war im vergangenen Jahr für eine längere Zeit zu Besuch gewesen, die Emmas Halbschwester ist. Ab und zu macht auch eine Viktoria, die Stiefschwester von Felix, einen Abstecher bei denen. Wenn ich das richtig verstanden habe, war sie damals die beste Freundin von Miriam. Und nachdem Robert bei der Erwähnung dieses Namens rot anlief, kam auch noch raus, dass er mal was mit ihr hatte. Also, wer hier mit wem verwandt, verschwägert, verlobt oder verstritten ist, ist ja unglaublich. Der Fürstenhof ist ein wahres Mekka. Aber wir beschlossen, wenn wir mal die Zeit haben, dann fliegen wir rüber. Vielleicht mit erfreulichen Nachrichten und schwerfälligen Begrüßungen aufgrund runder Bäuche!

Bevor es zu spät wurde, brachten wir zu dritt den bereits eingeschlafenen Floh ins Bett und verabschiedeten uns dann voneinander. Nachdem ich Valentina frühs zur Krippe brachte, saßen Emma und ich dann am Vormittag schon wieder zusammen und genossen ein herrliches Frühstück in Roberts Restaurant. So konnte unser Besuch noch ein paar Eindrücke mehr mit nach Hause nehmen und davon erzählen. Überraschender Weise überreichte sie mir eine kleine Schachtel. Als ich den Deckel abnahm, fand ich darin das berühmte Musterstück ihrer aktuellen Kollektion… für unsere Prinzessin als kleines Dankeschön. Für das nächste Fotoshooting wird sie uns aber anrufen und fragen, ob Valentina als Model zur Verfügung stünde, meinte Emma scherzhaft. Unsere Süße hat sie wirklich ins Herz geschlossen.

Zum Abschied habe ich für dich nun eine kleine Videobotschaft von ihr.



Die restliche Woche selbst war wieder beherrscht von der tragischen Havarie vor Giglio! Also, bevor ich mich wieder den tragischen Dingen des Lebens zuwende und der Nebel da draußen zur allgemeinen Grundstimmung im Land passt, verabschiede ich mich wieder und sage bis bald…

Deine