Sonntag, 15 Januar 2012 [Woche 14]
by XShipper
Eine Große Familie

eigentlich wollte ich dir ja nur mitteilen, wie ruhig und relativ unspektakulär die Woche war, weißt du. Alles war ganz entspannt und wir lebten unseren Trott:

Unsere Püppi machte weiterhin mit ihrem Laufrad die Wohnung unsicher und fuhr gut und gerne damit gegen die Wände, zudem lauschte sie mit großen Augen unseren allabendlichen Märchenstunden über „Romeo und Julia“ und verzauberte tagsüber mit ihrer süßen Art sowohl zuhause als auch in den Gassen von Verona unsere Nachbarn sowie die Fußgänger draußen mehr und mehr.

Robert scheuchte wochentags in gewohnter Manier sein Küchenpersonal von Pontius zu Pilatus und trotzdem tischte er an den hübsch geschmückten Tischen in den Restaurant-Gewölben wie immer leckere, gehobene Küche seinen Gästen auf, außerdem bekam das „Ristorante 12 Apostoli“ endlich die ersehnte Weinlieferung aus Südafrika von den Steenkamps, um das eh schon imposante Angebot zu bereichern.

Jacob versuchte indes bei der Renovierung von Haus und Hof all die Vorstellungen von Debby mit dem ihm zur Verfügung stehenden Mitteln zu verwirklichen, aber haute mich heimlich um eine kleine Spende an, damit er für das geplante Wellness-Bad nach italienischem Landhausstil endlich Debbys freistehende, ovale Steinbadewanne aus einem weichen Verona-Balinese-Braun von „Palazzo“ kaufen könne.

Und ich hab mich die Woche über im Zeitungslesen geübt, um mehr italienisch verstehen zu können, da meine zukünftige Chefin des „asilo infantile” möchte, dass ich die Sprache lerne.

Tja, während bei uns also alles im gewohnten Gang ablief, gingen in Italien die Preiskurse, Politiker oder gar Kreuzfahrtschiffe unter – schrecklich. Ich verstand zwar nicht immer viel, aber die Artikel fand ich einfacher zu lesen, als wenn ich im Supermarkt alleine nach Milch fragen muss. Von Politik war ich ja noch nie groß begeistert, aber es tut gut zu wissen, dass Italien und Deutschland ein gutes Verhältnis miteinander haben. Da fühlt man sich darin bestätigt, wieso wir vom Fürstenhof weg- und hier nach Verona gezogen sind.

Weniger schön ist es dann zu erfahren, wenn bei Italiens größtem Schiffsunglück der letzten Jahre der Luxusliner „Costa Concordia“ bei der Annäherung an der Insel Giglio einen Felsen rammt, die linke Seite durchbohrt wird, auf tragische Weise untergeht und unter den Geretteten Bekannte von uns waren. Die haben sicherlich Schreckliches durchmachen müssen, ich will gar nicht daran denken. Als wir heute beim Bäcker waren, erzählte uns die Tochter des Besitzers – welcher einst die Idee mit dem Bauernhof hatte –, was passiert war, und dass ihre Eltern nun wieder auf dem Weg nach Hause sind. Dabei wollten sie einfach nur ihre Silberhochzeit feiern. Ich hoffe, Robert und ich werden beide so alt, dass wir gemeinsam unseren 25. Hochzeitstag, vielleicht auch sogar den 50. erleben – aber gewiss nicht so.

Nachdem ich also die Tageszeitungen durch hatte und lauter schlechte Nachrichten entziffern musste, habe ich mir diverse Frauenzeitschriften, die Debby hier immer liegen lässt, angeguckt… leichter Stoff eben: Klatsch und Tratsch, leckere Kochrezepte (von denen ich mir welche für später ausschnitt), interessante Tipps von und für Eltern (über manche ich wirklich lachen musste), die neuesten Modetrends für die Frau von Welt sowie die angesagtesten Events in der Stadt und Umgebung.

Valentina hatte ihr Essen und hielt danach ein Nickerchen, also machte ich es mir auf der Couch im Wohnzimmer gemütlich und blätterte mich durch die Hefte. Ich musste ziemlich lachen, als ich einen Artikel in der „Donna Moderna“ über eine anstehende Modenschau hier in Verona fand. Eine ziemlich seltsame noch dazu, war es doch eine zur bayrischen Traditionsmode über Dirndl… hier in Italien?! Aber ich hätte ich mich fast verschluckt! Ich war mir plötzlich nicht mehr sicher, ob ich den Bericht darüber nun richtig verstand oder nicht. Also bin ich schnurstracks runter ins Restaurant und zu Robert in die Küche – er musste es mir übersetzen und vor allem etwas erklären!

Es war ein ziemliches Gewusel an den Herdplatten, aber zum Glück sollte bald Feierabend sein, also war Robert nicht mehr allzu stressig drauf, sondern hatte sogar ein Ohr für mich. Seine Leute grinsen immer schon, wenn ich reingestürmt komme – wie damals in der Fürstenhofküche! Er wischte sich noch schnell seine Bratfinger an der Schürze ab und las dann aufmerksam die Zeilen. Noch während er damit beschäftigt war, konnte ich nicht mehr länger warten und frage aufgeregt immer wieder: „Die Modedesignerin, die Modedesignerin,… die heißt wie wir, wie kann das sein, kennst du sie?“ Er quälte mich und sagte erst einmal gar nix, daher habe ich ihn zugetextet. Wer war also Emma Saalfeld?

Dass die Antwort aber so kompliziert werden würde, hätte ich nicht gedacht. Nach einer langen Ausführung, wer mit wem und wen nicht was hatte, und dann doch wieder zusammen war, sich scheiden ließ bzw. heiratete, stellte sich heraus, dass Emma Saalfeld die Frau vom Stiefcousins meines Mannes ist… oder so ähnlich. Um zig Ecken waren wir jedenfalls irgendwie verwandt, und ich fand das total faszinierend. Seitdem kann ich es nicht mehr abwarten, dass die Modenschau hier in Verona endlich stattfindet. Und obwohl es sich um eine ältere Ausgabe des Magazins handelt, findet der Event erst nächste Woche statt – wie gemein!

Ich freu mich jedenfalls schon auf die Baby- und Kinderkollektion von Princess Dirndl! Vielleicht hat Emma ja auch ein süßes Kleidchen für unsere Prinzessin! Das wird toll, ganz bestimmt. Bis dahin werde ich Robert noch etwas mehr ausquetschen. Vor allem zur dramatische Geschichte um Emmas jetzigen Ehemann Felix, der damals zuerst mit Miriam verheiratet gewesen war.

Also, bis dahin…

Deine