Verona Diaries - News



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Sonntag, 20.04.2014 [Woche 125]
by XShipper   
Miriam    




Es war alles so schön dekoriert, bis ins kleinste Detail – die Anordnung der Teller mit den filigranen Goldrändern, die besonders hübsch zu weißen Schwänen gefalteten Servietten, die pastellgemaserten Kerzen, die Tischdecke mit einem Rosenmuster in meiner Lieblingsecke vom Restaurant, wo, wie ich finde, mir die neue Wandgestaltung vor einiger Zeit besonders gelungen erscheint.

Unabhängig vom normalen Zulauf und egal wie voll die Räumlichkeiten mit Gästen gefüllt waren, hatten wir uns diesen Tag ausgesucht, um als ganz normales Pärchen ein romantisches Candle Light Dinner wieder zu verleben. Wir hätten es auch irgendwann abends bei uns in der Wohnung haben können, aber das schien uns irgendwie zu sehr an unseren Alltag zu erinnern. Im „12 Apostoli“ zu sitzen, hat jedoch seinen eigenen Charme.

Robert zog den Personalraum zum Umziehen und Frischmachen vor, während ich oben zuhause noch Valentina eine Geschichte vorlas und ihr dann im Bettchen liegend einen Gutenacht-Kuss gab. Ich hoffte, sie würde schnell einschlafen. Wenn irgendwas sein sollte, so bläute ich ihr an, könne sie ruhig zu Papi und mir runterkommen.

Anschließend zog ich mich um und wählte als Dress mein babyblaues Kleid, setzte ein dezentes, weich wirkendes Make-Up auf und kramte im Bad anschließend aus meiner Tasche noch die fast leere Parfümflasche hervor, die ich von Ella bekommen hatte. Ich ließ noch etwas von dem zauberhaften Duft übrig – nur für den Fall der Fälle.

Ich war voller Vorfreude, hungrig sowohl auf alles, was wohl auf meinem Teller landen möge, als auch auf meinen Mann. Den ganzen Tag über sehnte ich mir endlich diese Abendstunden herbei und konnte es kaum erwarten, von ihm unten in Empfang genommen zu werden. Fast wäre die obersten Stufen im Hausflur runtergestolpert… vor Schreck, kam doch George gerade nach oben, um mich nach unten zu begleiten. Einer von uns beiden war wohl zeitlich nicht im Plan. Vielleicht war ich zu früh oder er zu spät. Oder doch andersrum, denn eine gefühlte Ewigkeit hatte nach dem richtigen Outfit gesucht.

George versprach mir indes, dass er zwischenzeitlich nach Valentina gucken würde, sollten wir den guten Wein zu sehr genießen oder nicht von unserer gegenseitigen Gesellschaft lassen können. Ich lächelte verlegen, aber dankte ihm. Robert schien an alles gedacht zu haben – wenn schon keine weiße Limousine, dann wenigstens der perfekte Chauffeur in Spe, welcher mich meinen Lieblingshänden übergab. Robert lächelte breit und empfing mich stürmisch. Als er jedoch von mir ließ, schaute er leicht verwirrt und ich fragte mich, ob er wohl das neue Parfüm registriert hatte und sich nun wunderte. Der verwirrte Blick seinerseits verflog jedoch schnell wieder und eine Zeit lang genossen wir die Zweisamkeit.

Er hatte mich gerade von seiner Vorspeise kosten lassen und reichte mir seine Gabel – es war köstlich, was er auf seinem Teller hatte. Das wollte ich gleichfalls wieder mit ihm teilen und wir lehnten uns über den Tisch – mit Vorsicht bedacht aufgrund der Kerzen. Es ging in einen Kuss über und endete jedoch abrupt, nachdem er nach einer schier endlos langen Zeit nach Atem ringen musste. Doch was ich dann sah, als ich meine Augen wieder öffnete und eigentlich ein verschmitztes Lächeln oder einen süffisanten Blick seinerseits erwartete, spiegelten seine Augen puren Schock und Schmerz.

Ich verstand nicht ganz. Hatte ich etwas falsch gemacht? Ein Zittern ergriff ihn und alle Farbe wich ihm aus dem Gesicht, doch er starrte mich nur weiterhin an. Bis er plötzlich aufsprang, wobei sein Weinglas klirrend zu Boden fiel, und mich anzischte: „Wie konntest du nur!?“ Der Tisch wackelte bei seiner hastigen Bewegung und plötzlich saß ich alleine da. Die anderen Gäste wie auch ich schauten ihm verwirrt hinterher. In dem Moment, wie konnte es auch anders sein, kam George durch die Cucina-Schwingtür mit einem freudigen Pfeifen auf den Lippen um die Ecke und brachte gekonnt auf seinen Händen balancierend die 2 Teller, welche für uns bestimmt waren. Doch mitten in seinem Tun hielt er inne und stand genauso verwirrt wie wir alle neben mir. Ich konnte nicht zu ihm aufblicken und suchte verzweifelt eine Antwort im Service vor mir auf dem Tisch. Mein Blick verlor sich darin und ich fühlte, wie mein Kinn zu zittern anfing und ich… ich konnte es nicht begreifen, aber ich kämpfte gegen die Tränen an.

„Oh Bella!“, seufzte George und stellte vorsichtig das Essen ab. Er hockte sich zu mir und griff nach meinen Händen, die verzweifelt das Tischtuch kneteten.

„Was ist passiert, welcher Teufel hat ihn nun schon wieder geritten?“, fragte er sanft. Und nach einer gefühlten Ewigkeit wandte ich den Kopf zu ihm. Mir hatte es die Sprache verschlagen; konnte ich doch nur noch mit dem Kopf schütteln.

„Geh! Geh ihm nach, bella Donna. Weine nicht! Das klärt sich alles wieder. Komm, steh auf!“

So geschah es auch, dass ich auf wackeligen Beinen im Hausflur die Treppen hoch ging und bei jeder Stufe mein Herz immer schwere wurde. Ich dachte darüber und ging alles noch einmal im Geiste durch. Was zum Henker hab ich denn gemacht, dass er Robert plötzlich so austickte? Das war doch sonst nicht seine Art? Früher vielleicht, da drehte er gerne mal einfach durch, wurde ausfällig, wütend… früher… wenn irgendein Auslöser ihn wie eine tickende Zeitbombe zum explodieren brachte.

An meinen weißen Knöcheln sah ich es, die krampfhaft das Geländer festhielten, dass mir augenscheinlich wohl jede Farbe aus der Haut wich, als ich es begriff. Früher! Als ich ihn vor Jahren kennen lernte, da war häufig aufbrausend und ungestüm, verletzend in seiner ganzen Art anderen gegenüber, nur um sie von sich selbst weg zu schieben und sich von der Außenwelt abzuschotten. Damals, als seine geliebte Miriam, seine erste große Liebe gestorben war.

Hatte Robert einen Flashback? Hatte ihn der posttraumatische Stress irgendwie wieder eingeholt? Aber wenn, wieso gerade im Restaurant? Warum? Es ergab für mich einfach keinen Sinn. Doch gerade deswegen wurde ich federleicht und stürmte den Rest hinauf in unserer Wohnung, fiel praktisch durch die noch offen stehende Haustüre hinein und rief mit einem fetten Kloß im Hals seinen Namen.

„Robert?“, eilte ich durch die Küche, ins Wohnzimmer und ins Bad – weiter kam ich jedoch nicht, da rannte auch schon weinend die kleine Valentina zu mir. Völlig aufgelöst. Und mir jagten die schlimmsten Befürchtungen durch den Kopf, dass er ihr, wie er es damals vermutlich vorgehabt hatte, nun etwas angetan hätte. Sie fiel in meine Arme und mit flinken Händen suchte ich nach Blessuren oder wunden Stellen. Doch nichts, nur rot unterlaufene Augen und das Gesicht überall beinahe purpurn vom Weinen.

„Ach, meine Süße!“; nuschelte ich in ihr feines, glattes Haar, als sie sich an mir klammerte, „Wo ist dein Papa?“

Sie sagte nichts, schniefte nur und deutete lediglich mit der Hand Richtung Schlafzimmer, wohin ich sie dann trug. Sie wimmerte hörbar, als sie dies begriff, und ich machte mir ernsthafte Sorgen. Valentina hatte Arm und Beine um mich geschlungen, sodass ich nach dem Türknauf greifen und die Tür vorsichtig aufschieben konnte. Ich lugte durch den Spalt. Doch der Anblick, welcher sich mir bot, versetzte meinem Herzen einen tiefen Spalt.

Ich hatte es ja bereits vermutet und nun bestätigte es sich. Wie ein Haufen Elend saß er auf der Bettkante mit dem Rücken zu uns und vor ihm flimmerte über dem Fernsehbildschirm mit sanften Geigenklängen das Hochzeitsvideo von ihm und seiner Miriam.

„Raus!“, knurrte er, ohne dass er mich eines Blickes würdigte. Ich wollte etwas sagen und räusperte mich, doch da drehte sich plötzlich um. Seine Pupillen riesig und schwarz voller Emotionen und Raserei, seine Augen nicht weniger rot als die von Valentina, und Schnodder benetzte seine Lippen, den er einfach hatte laufen lassen.

„RAUUUS!“, schrie er nun wütend. Und ehe er zum Wurf ansetzten konnte, brüllte er „Verschwinde, sagte ich, und wage es ja niiie wieder!“ Da kam auch schon die Phiole angeflogen. Die kleine Duftflasche, die mir Ella mitgegeben hatte. Ein Mitbringsel aus Paris, was uns beiden eigentlich den Abend versüßen sollte. Ich konnte gerade noch die Tür zuziehen, als diese am Holz zerschellte. „DER GEHÖRT IHR!!! Das ist doch ihr Duft…“

Ich stand noch auf der anderen Seite, als er das anfügte, und hörte, wie ihm die Stimme wegbrach und er auf dem Bett erneut zu weinen anfing. Valentina und ich sagten kein Ton, hörten lediglich seine Klagelaute und waren selbst viel zu geschockt.

Wie in Trance brachte ich Valentina in ihr Zimmer, machte sie bettfertig, während sie weinte und ich krampfhaft um Haltung bemüht war. Es dauerte ewig, bis sie endlich einschlief, und ich ins Badzimmer ging, mich langsam aus meinem feinen Kleid pellte und unter den heißen Strahl der Dusche weinend zusammenbrach. Ich rutschte an der Wand entlang und kauerte jämmerlich schluchzend am Boden, die Beine angezogen und den Kopf zwischen meinen Knien vergrabend. Mein Herz schien endgültig entzwei.

Wie lange ich da saß, kann ich nicht mehr sagen. Ich hoffte nur, dass die gefühlte Ewigkeit den erwünschten Effekt haben würde und ich den Duft von Miriams Parfüm auf meiner Haut endlich los sein würde, sollte ich jemals wieder den Mut aufbringen, aus der Kabine je raus zu kommen. Ich wagte es nicht, blieb somit nur umso länger da hocken, während meine Haut immer schrumpeliger und Wasser fühlbar immer kälter wurde. Was macht schon die Kälte… dachte ich, habe ich doch einen Mann, der mir ebenso nur die kalte Schulter zeigte und kalten, puren Hass entgegen brachte.

Doch irgendwann waren es seine warmen Hände, die über meine zitternde Haut fuhr und vorsichtig nach mir griffen. Es war Robert selbst, der mich vom Duschboden hochhob. Mein Verstand schien leicht eingefroren, denn zurückblickend ist diese Erinnerung leicht verschwommen. Ich weiß nur noch, wie er immer wieder ganz leise, ganz sanft und voller Schuld in mein nasses Haar murmelte, wie leid es ihm tat.

„Es tut mir leid! Es tut mir so leid, Eva! Oh Gott, es tut mir leid. Bitte… es tut mir so leid!“

Sollte es nicht MIR leid tun, dass ich so leichtsinnig war? Aber woher hätte ich es denn ahnen sollen. Wir hatten ewig nicht mehr über Miriam gesprochen. Und obwohl schon viele Jahre vergangen waren, hatte dieser Duft schmerzliche Erinnerungen an seine erste Frau wachgerufen und den Ausraster ausgelöst.

Er brachte mich ins Bett und wickelte mich behutsam mit der Decke ein, die jegliche Nässe sofort aufsaugte. Ich war kurz vorm Koma, so fühlte es jedenfalls an, als sich die Schwere auf meine Lider legte und ich ihm entglitt. Doch kurz bevor ich einschlief, nuschelte ich in seine warme Handfläche, die meine Wange nicht verlassen wollte: „Es tut mir auch leid…“

In den darauf folgenden Tagen hatten wir einige Diskussionen darüber, was geschehen war. Robert war sichtlich mitgenommen, aber war so unglaublich tapfer, über seine Gefühle zu sprechen. Und dass mit mir – das bedeutete mir viel. Was ich nur vermuten konnte, bestätigte er mit einer umfassenden Geschichte, wie es zu eben jenem Duft kam, mit dem seine Miriam damals sehr erfolgreich war, und welche Bedeutung dieser für sie beide damals hatte. Ich konnte mich nur immer wiederholen, wie leid es mir tat. Und wenn ich es gewusste hätte, dann… Doch auch er entschuldigte sich immer wieder, bis wir stets in den Armen des anderen landeten.

Auch Valentina wurde mit einbezogen. Saßen wir doch den einen Nachmittag zusammen und schauten uns das Hochzeitsvideo gemeinsam an. Sie stellte viele Fragen, auf die Robert manchmal nur nach einigem Zögern eine Antwort hatte. Natürlich war Miriam ihr nicht fremd. Valentina weiß sehr wohl, dass das ihre leibliche Mutter ist. Zum Glück für mein Seelenheil hat sie nie einen Unterschied daraus gemacht, wer für sie Miriam ist und welche Rolle ich in ihrem Leben spielte. Wir beiden waren ihre Mama.

Doch Robert brauchte noch etwas, um wieder von dieser emotionalen Achterbahn runterzukommen. Er ist etwas ruhiger dieser Tage, gedankenvoller… manchmal auch unnahbarer. Aber ich nahm es ihm nicht übel. Als seine Mutter anrief und ihm nach seinem Segen fragte, schien er zuweilen fast gleichgültig, was ich wiederum nicht mehr zu akzeptieren bereit war.

„Dir scheint es ziemlich egal, dass deine Mutter wieder heiratet… was ist los?“, versuchte ich ihm nach dem Telefonat zur Rede zu stellen. Das war schließlich nicht seine Art. Irgendeine emotionale Regung hätte ich schon erwartet. Ob nun freudigen Zuspruch oder völliger Entsetzten – aber so rein gar nichts.

„Was? Weil’s nun mal egal ist, was ich dazu denke.“

„Aber es sollte dir nicht egal sein, Robert! Deine Mutter hatte erst letztes Jahr ihren Verlobten verloren. Sie versucht doch nur neues Glück zu finden. Das sollte dir nicht egal sein. Sie hat dich explizit nach deiner Meinung gefragt… und das ist alles, wie du darüber denkst?“

„Eva,… egal, wie ich darüber denke, sie wird diesen Typen so oder so heiraten. Ob es nun richtig ist oder falsch, ob er sie glücklich machen kann oder nicht. Wer weiß das schon.“

„War dir die Meinung deine Eltern damals auch egal, als es um unsere Hochzeit ging. Oder!“

Er schüttelte verlegen den Kopf und ich nutzte den Moment, um an ihn näher heranzutreten.

„Du bist ihr Sohn, Robert, und wenn dir deswegen was auf der Seele brennen sollte, solltest du das deiner Mutter sagen. Aber egal sollte es dir nicht sein, was deine Mutter macht und tut, wen sie heiraten und endlich glücklich werden will.“

Roberts Kopf ging weiter hin und her, wenn auch unmerklich. Leise sprach er, mich dabei mit entschlossenem Blick anschauend: „Es ist mir nicht egal. Ich möchte, dass sie irgendwann das Glück findet, welches sie sich so sehnlichst wünscht. Und ob das nun dieser Kerl ist oder zum zigsten Mal mein alter Vater… das ist egal. Soll sie ihn heiraten und hoffentlich genauso glücklich mit dieser erneuten Ehe werden, wie ich mit meiner… als ich dich heiratete!“

Oh, seine Worte waren so süß, sie waren der Kitt für mein geschundenes Herz. Lächelnd fielen wir küssend über einander her, während der Tee im Kessel pfiff.

Deine