Sonntag, 22 April 2012 [Woche 28]
by XShipper
Post von Markus



Manchmal hänge ich meinen Gedanken wirklich hinterher. Aber was soll ich machen? Ich sitz hier bei Jacob auf dem Hof, in einer Decke eingekuschelt und grüble. Die letzten Tage habe ich viel nachgedacht, doch weiß ich nicht, ob das wirklich so klug ist und ich nicht einfach die Dinge so geschehen lassen sollte, wie sie kommen.

Aber woher hat mein tollpatschiger Bruder nur die finanziellen Mittel, um mit den Bauarbeiten so rasch voranzukommen? Das ist zum Beispiel ein Thema, das mich nachdenken lässt. Ein wenig skeptisch machen mich dann immer seine Aussagen, dass er mit dem Kreditgeber wohl ein äußerst glückliches Händchen bewiesen hätte und einfach einen Volltreffer gelandet hat. Ich nehme ihn mir zwar ab und zu zur Brust und quetsche ihn aus, aber er verrät mir nicht, welche Bank so großzügig ist und all das Geld fließen lässt. Allein die Aussicht, dass seine Bio-Produkte und die süßen Schweinchens einen reißenden Absatzmarkt haben, erscheint mir zu wenig als solide Basis und Sicherheit. Ich hoffe nur für ihn, dass er all die Raten auch ableisten kann. Schließlich steht mein süßer Emil auf eine seiner Weiden und iiaaaaht zusammen mit Valentina gerade eine freilaufende Gänsemama mit ihrem Nachwuchs voll.

Dann ist da ja noch mein Sternekoch, der sich meinetwegen gar nicht richtig auf den Erhalt seines nächsten Sterns konzentrieren kann – sagt er, als ob ich daran schuld wäre. Na gut, ganz unschuldig bin ich nicht, das muss ich zugeben. Aber er sollte seinem Personal auch mal die Ohren lang ziehen, schließlich kann ich nichts dafür, wenn die sich alle Mühe mit den Gästen geben, zu denen ich nun mal auch dazu zähle, wenn ich im ‚12 Apostoli‘ seine exquisiten Kreationen kosten soll und diese im Gastraum serviert bekomme… eben auf eine ganz charmante Art, die mich vergessen lässt, weswegen ich überhaupt zum Essen runter gekommen war. Roberts neuestes Gericht wurde mir vom neuen Gesicht des Hauses namens George gebracht – und ich muss gestehen: beide waren großartig. Sowohl die ‚Tortelli‘ als auch der Hollywood vernarrte Kellner, der ständig einen auf Geheimagent macht und die ganze Zeit mit mir rumgeschäkert hat. Da ich verheiratet bin, fand mein Mann dies natürlich alles andere als angemessen. Aus der ‚Cucina‘ heraus hörte ich nur, wie Robert ihn zusammenstauchte und dieser später mit einem Augenzwinkern zu mir meinte, beim nächsten Mal wäre er dann einfach jemand anderer – wenn es nach Robert ginge vermutlich einer, der sich besser beherrscht und mir keine schönen Augen mehr macht.



Was mich zu Markus bringt: nach langer Zeit bekam ich mal wieder eine Karte von ihm. Sie lag schon auf dem Wohnzimmertisch, als ich zusammen mit Valentina vom Kindergarten nach Hause kam. Robert saß mit seinen Küchenklamotten auf der Couch und machte einen relativ gelangweilten Eindruck. Er hatte nur kurz Pause und wollte uns eigentlich freudig in Empfang nehmen, stattdessen fand er DIE im Briefkasten. Nach dem Vorfall im Restaurant war mir schnell klar, dass es in ihm brodelte vor Eifersucht, also tat ich ebenfalls gelangweilt und kommentierte seinen Hinweis, ich hätte ein Lebenszeichen von meinem Ex bekommen, lediglich mit einem „Aha, ok!“. Tja, nun sitze ich hier draußen, lese die Postkarte heimlich und könnte eigentlich nur über diese Situation schmunzeln. Wenn mein werter Gatte vielleicht einen Blick auf die geschriebenen Zeilen riskiert hätte (wäre schließlich nicht das erste Mal, aber man muss ihm zugutehalten, dass er aus seinen Fehlern gelernt hat), wäre ihm schnell ein Licht aufgegangen, dass Markus um die Welt segelt und dabei die Gesellschaft von Gitti arg vermisst, die einst mit ihm unterwegs war. Ein wenig schmerzt es – vor ein bisschen Eifersucht sind wir wohl alle nicht ganz gefeit –, aber es ist schön zu wissen, dass er eine glückliche Zeit verlebt und das Abenteuer Rundreise auf hoher See zumindest in Gesellschaft seiner Schwester Lena genießt.

Nicht alles lässt mich gern an den Fürstenhof zurück denken… das gebe zu. Zuerst Roberts Liaison mit Lena, schließlich fanden er und ich zwar dann zueinander bis jedoch das Unglück mit Pünktchen geschah. Die schmerzhafte Erinnerung holt mich immer wieder ein. Vor allem neulich nachts, als Tanja ganz verweint kurz durchklingelte. Sie war so schrecklich aufgelöst gewesen, dass ich meine Freundin am liebsten einfach in den Arm nehmen wollte, aber es leider nicht konnte. Sie und Nils waren ja auch fleißig dabei, weil beide das Abenteuer Baby gemeinsam wagen wollten. Es wäre bestimmt großartig geworden, wenn Tanja und ich schwanger wären und wir dann zwei Wonneproppen zur gleichen Zeit bekommen hätten. Als wir noch am Fürstenhof lebten, ulkten wir Mädels manchmal rum, dass ihr Sohnemann Fabien und Valentina durch das gemeinsame Aufwachsen die Kindergartenliebe schlechthin werden könnten und irgendwann… aber nun ist unser Zuhause Verona, weit weg vom Fürstenhof, und aus unseren Kupplungsplänen wird wohl nie was. So auch aus einer möglichen Doppelschwangerschaft. Mir tut sie so leid, die Ärmste, und Nils. Die zwei sind wirklich großartige Eltern und gerade ihr Mann, der Fitnesstrainer im Hotel ist, hätte nur so vor lauter Vaterstolz gestrotzt.

Ich betrachte den Sonnenuntergang und Tanjas zittrige Stimme höre ich immer noch klar und deutlich. Neben all dem Kummer, der mich wegen ihr betrübt, plagt mich ein Satz von ihr besonders. Tanja erwähnte ihn nur beiläufig, aber es lief mir irgendwie eiskalt den Rücken runter und ich hatte das unbestimmte Gefühl, ertappt worden zu sein. Sie solle sich ein Haustier anschaffen, das würde die Lücke kompensieren und sie in ihren Mutterinstinkten ersatzweise befriedigen. … Könnte das vielleicht auch der Grund sein, weswegen wir hier uns einen Hund ins Haus holen möchten? Ich will doch keinen Ersatz! … Eine Sternschnuppe sehe ich vorbei huschen und ich wünsche mir nichts sehnlicher, als ein Kind mit Robert und das alles gut geht! Wir haben viel durchmachen müssen und haben beide schmerzhafte Verluste ertragen, um an diesen Punkt hier zu gelangen. Endlich wollen wir es beide, und er ist ein so guter Vater – ich will ihn glücklich sehen und ich will seine Augen strahlen sehen, wenn er sein neugeborenes Baby in den Armen hält.

Es wird Zeit nach Hause zu fahren. Mal sehen, wo sich der kleine Krümel rumtreibt. Valentina ist da recht pragmatisch – manchmal sitzt sie im Hof und manscht Gräser sowie Blüten mit Sand zusammen, gut und gerne folgt sie auch den Tieren bis in ihre Ställe hinein und will mit ihnen kuscheln. So oder so werde ich einen Dreckspatz vorfinden, aber was hat Jacob auch einen Bauernhof und nimmt sie überall mit hin!? Daheim werden wir wohl einen extra Badewannenspieltag einlegen, und vielleicht hat Robert bis dahin auch schon Feierabend.

Deine