Sonntag, 15 April 2012 [Woche 26 & 27]
by XShipper
Ostern mal anders



Oh Gott, da bist du ja. Ich war ganz in Sorge und hatte schon geglaubt, du wärst mir verloren gegangen. Die ganze Wohnung hatte ich auf dem Kopf gestellt, um dich zu suchen, doch ich konnte dich einfach nicht finden. Dass das kleine Prinzeschen hier dich als Bauklotz benutzt hatte, ging dabei völlig unter – so auch du! Zum Glück nicht als Malbuch, sonst hätte ich jetzt vermutlich keine freie Seite mehr, um dir von Ostern zu berichten.

Tja, „Buona Pasqua“ hörte man aus allen Munden, als hier die Osterfeiertage anstanden. Ich muss zugeben, von dem Ganzen hatte ich mir etwas mehr erhofft. Oder ich war vielleicht mehr gewohnt von Deutschland her… wer weiß! Zum Beispiel diese Ostereiervielfalt gibt es hier nicht. Auch die Schokoladenosterhasen, die es in Deutschland ja in Fülle zu den Ostertagen gibt, findet man in Italien so gut wie gar nicht. Was also die Osterhasen in allen Farben und Größen sind, sind das hier die großen bunten Eier und die „Pasqua Colomba“ (Colomba heißt Taube), dem traditionellen Osterkuchen mit kandierten Früchten. Aber dafür war das Wetter herrlich, das satte Grün der Bäume und Sträucher untermalte die wieder erweckte Natur, alles begann zu blühen und zu wachsen, das lebensfrohe Dasein der Italiener, die dieser Tage alles ganz langsam angingen, sowie die allgemeine Lust und Laune für die anstehenden Feierlichkeiten.

Ich mag Ostern, vor allem weil es ein kunterbuntes Fest ist wie geschaffen für Kinder – jedenfalls heutzutage in Deutschland. Und so wollte ich es auch für Valentina gestalten. Während sich die Älteren ihrem Glauben hingaben (dem ich ja schon vor langer Zeit abgeschworen hatte und ich bisher noch keinen Draht wieder zu Gott finden konnte) und an diversen Prozessionen teilnahmen, sorgte Valentina für reichlich Schabernack und Freude im Haus. Sie wollte uns unbedingt in der Küche helfen, während mir Tiziana das Geheimrezept für ihren liebsten Osterkuchen verriet. Also durfte sie zusammen mit Mamis großen Händen (hat sie gesagt) die Eier aufschlagen und quickte jedes Mal, wenn das Glibberzeug in die Schale fiel. Mit dem Mehl manschte sie auch wild um sich und naschte immer, wenn wir gerade nicht hinguckten, von den eingelegten Orangenstückchen, die eigentlich in den Teig gehörten. Dennoch gelang uns der Kuchen und wir backten danach noch munter lustig weiter ein paar bunt verzierte Eierkörbe und Osterglocken – ähnlich wie übergroße Plätzchen mit bunten Streuseln verziert… nur eben mit ganzen Eiern darin versteckt, aber der Phantasie sind keine Grenzen gesetzt. Das Färben von Eiern und auch die fröhliche Eiersuche im Garten gehören jedoch nicht zur italienischen Ostertradition, stattdessen verschwinden die Eier, um im Osterkuchen wieder aufzutauchen… jene, die wir vorher vor Valentina retten konnten.

Der wohl ausgelassene Teil des Festes begann dann in der Osternacht mit einem feierlichen Gottesdienst. Das Glockenspiel hierzu war wirklich wunderschön anzuhören, aber ich war nicht mit. Wenn mein Vater das wüsste, der würde sofort hier her fahren und mir die Ohren lang ziehen. Während die Stadt also nachts noch auf den Beinen war, saß ich am Fenster, betrachtete die sternenklare Nacht sowie den leuchten Mond, der alle Pilger sicher durch die Straßen von Verona zu leiten schien, und lauschte den Klängen, der von den Kirchtürmen hallte. Aber so fühlte ich mich glücklich, keiner nahm es mir übel, und wir hatten auch so ein fröhliches Frühlingsfest. Am Ostersonntag gab es dann ein recht üppiges Frühstück mit Debbie und Jacob zusammen, und unsere Kleine freute sich über riesig große Ostereier aus Schokolade. Die waren wirklich kitschig bunt verpackt und gefüllt mit einem Überraschungsgeschenk, die meist aus einem nicht minder kitschigen Spielzeug bestand. Eine ziemlich überteuerte Art, Schokolade zu vermarkten, wenn du mich fragst.

Als mein Mann endlich Feierabend hatte und das Restaurant dicht machte, bekam ich mein Geschenk zu Ostern – ein Candlelight-Dinner nur für uns zwei. Es gab reichlich Wein und ausgesprochen gutes Essen. Und ich glaube, wir hatten mehr Glück als Verstand, als wir abends stürmisch übereinander herfielen und noch gerade so im Bett landeten anstatt daneben auf den Boden zu fallen. Aber in Roberts Armen, so bin ich mir sicher, wäre ich trotzdem weich aufgekommen.

Am Nachmittag des Ostermontag, dem sogenannten „Pasquetta“, trommelten wir dann alle unsere Bekannten und Freunde zusammen. Im großen Trupp zogen wir mit Kind und Kegel, vollen Picknickkörben und Decken durch die Stadt, machten nebenbei Schaufenster-Bummel, schlemmten an fast jeder „Gelateria“ das erste Eis des Jahres und suchten uns im Freien ein schönes Plätzchen.






Da hing Robert wie eine Klette an mir und fütterte mich mit all dem süßen Zeug, was wir mithatten. Manchmal schmunzelten die Leute wegen uns. Wären wir nicht in aller Öffentlichkeit gewesen, möchte ich nicht meine Hand dafür ins Feuer legen, was ihm sonst noch in den Sinn gekommen wäre. Vielleicht stiegen ihm die vielen Süßigkeiten zu Kopf, die wir uns als verliebtes Pärchen teilten. Nur kann ich mich nicht entscheiden – war es wegen der baldigen Lese-Tour oder nur die allgemein berüchtigten Frühlingsgefühle?

Ich vermute Ersteres… er steigert sich da allmählich ziemlich hinein; und ich kann ihn nicht wirklich davon abbringen. Der Flurfunk vom Fürstenhof tat dann da sein Übriges, als wir hörten, dass angeblich einer seiner neuen Halbbrüder bei einem Atlantikflug abgestürzt sei. Theresa war am Telefon ganz aufgebracht, als sie nicht glauben konnte, dass der Mann, den sie einst geheiratet hatte, jetzt einfach nicht mehr sein soll. Robert war danach ziemlich wuschig und tigerte in der Wohnung hin und her. Eigentlich kannten sie einander gar nicht wirklich, aber er glaubte Parallelen zu erkennen, wo keine waren. Den Partner verlassen, für eine kurze Reise, und am Ende steht man alleine da, weil irgendwas passiert ist. Ich fang an mir Sorgen zu machen. Schlimmer noch, dass der Termin noch nicht steht. Und je mehr Zeit vergeht, desto wahrscheinlicher ist es, die Rundreise durch Italien könnte dann zu Valentinas Geburtstag und dem 2. Jahrestag von Miriams Tod stattfinden. Und wenn dem so sein sollte, wird mein Mann vermutlich durchdrehen.

Um da nicht selbst durchzudrehen, habe ich die letzten Tage den Haushalt auf dem Kopf gestellt – dabei habe ich dich auch wiedergefunden. Die lauen Abende habe ich mit Jacob zudem genutzt, um die olle Terrasse hier aufzuräumen und als wunderschöne Aussichtsplattform über Verona wieder neu zu entdecken. Wir waren hier ja kaum draußen, weil bisher alles so verrumpelt und verwachsen war. Nun war uns so, als würden wir einen verschlafenen Schlosspavillon wiedererwecken. Mit ein paar neuen Gartenmöbeln, viele Eimer Wasser später, überall Solar-Lichtern und ein bisschen Deko sowie frisch gepflanzten Blumen erstrahlte alles wieder. Die alte Hollywoodschaukel würde zwar noch etwas Öl brauchen, aber sonst ist daraus ein wirklich schöner Platz geworden.

Heute Abend weihen wir ihn ein, dann gibt es zeitgleich eine Männerrunde und einen Mädelsabend hier oben – na, das kann ja was werden. Nur Valentina muss ich jetzt noch schnell ins Bett bringen…

Deine